Hunde aus dem Tierschutz
Am Wochenende traf ich einen Kunden in der Apotheke. Er hatte mir vor 4 Wochen wegen „Krankheit“ eine Stunde abgesagt, die 5. von 5 bezahlten Einzelstunden. Ich fragte ihn, ob er wieder fit wäre. An seiner Reaktion merkte ich schon, dass er meine Frage nicht so richtig einsortieren konnte. Nach kurzem Überlegen kam dann: Ja, alles ok. Dann fragte ich, ob sie nicht mehr weitermachen wollten, sie hatten sich schließlich 4 Wochen nicht gemeldet. Seine Antwort war dann: Sie hätten ihre Hündin (Angsthund) wieder abgegeben.
Ich war entsetzt und wütend und war froh, dass er dann an der Reihe war, denn ich hätte nicht mehr entspannt Smalltalk machen können.
Wenn Menschen bei einem Züchter viel Geld für ihren Hund bezahlten, können das viele Leute nicht nachvollziehen. Es gibt doch so viele arme Hunde im Tierschutz, die ein neues Zuhause suchen. Ja, das stimmt. Aber wenn man einen Hund aus dem Tierschutz adoptiert, sollte man sich auch darüber bewusst sein, was das heißen kann.
- Da reicht „Gutmensch“ sein nicht aus.
- Kann man das überhaupt leisten?
- Welche Erwartungshaltung hat man an seinen Hund?
- Bin ich bereit, mich auf die Bedürfnisse des Tieres einzulassen oder
- stehen meine Bedürfnisse im Vordergrund?
- Was ist, wenn der Hund nicht überall mit hingehen möchte oder kann?
- Wenn er keinen Körperkontakt möchte?
- Wenn er mich nicht so liebt, wie ich es erwarte?
- Wenn die Begleitung in der Hundeschule viel Geld kostet? Usw.
Hunde im Tierschutz sind ein Überraschungspaket. Sie haben alle eine Vorgeschichte und Lebenserfahrungen verschiedenster Art. Der Import eines Hundes nach Deutschland darf erst mit 15 Wochen erfolgen. Welpenzeit, Prägung, Sozialisierung sind dann fast vorbei. Alles gelaufen. Dessen sollte man sich bewusst sein. Wenn dann die Welpen noch miterlebt haben, wie die eigene Mutter entführt oder getötet wurde, weiß man eigentlich schon, wie traumatisiert diese Hunde sein müssen und dass sie erstmal keine Lust auf fremde Menschen haben.
Dann kann es sein, dass die Hunde schon länger auf der Straße gelebt haben. Das bedeutet, sie haben selbst für ihr Überleben gesorgt, waren Selbstversorger, haben ihre Gruppe vor anderen Hunden geschützt oder Beute oder ihre Mülltonnen im eigenen Terrain verteidigt. Das kann uns im Alltag einiges an Problemen bescheren.
Sie können Krankheiten mitbringen, die erstmal nicht bei der Erstuntersuchung entdeckt wurden. Z.B. Schrotkugeln im Körper, die langfristig hohe Tierarztkosten verursachen können.
Wenn wir einen Tierschutzhund adoptieren, übernehmen wir Verantwortung für das Tier. Wenn dann das Tier unsere Erwartungen nicht erfüllt und wir es wieder abgeben, haben sie kaum eine Chance. Sie sitzen dann erneut in der Pflegestelle oder im Tierheim und es wird für die eventuellen zukünftigen Besitzer immer schwieriger, einen Fuß in die Türe zu bekommen, wenn sie überhaupt nochmal vermittelt werden. Die Tiere haben bei den Besitzern gerade angefangen, ihr Herz zu öffenen, dann werden sie wieder abgeschoben, weil sie deren Erwartungen nicht erfüllen. Auch das macht etwas mit ihrem Selbstwertgefühl und Vertrauen in uns Menschen. Eine Bindung an neue Menschen wird dann immer schwieriger.
Mein Gott, was sind wir für eine Gesellschaft geworden! Der Tierschutzhund als Versuchsobjekt, unser Streichelbedürfnis zu erfüllen. Uns vor die Türe, in die frische Luft, zu bringen. Uns zu beweisen, dass wir ein Gutmensch sind.
Wir sollten uns mal Gedanken machen, welche Erwartungen diese Hunde an uns haben.
Z.B.
- dass wir ihnen Sicherheit bieten, wenn sie schon aus ihrem früheren Leben gerissen wurden, die gewohnte Umgebung weg ist, die Sozialpartner nicht mehr da sind und hier plötzlich alles neu ist. Sie haben sich nicht ausgesucht, bei uns zu leben, sondern wir haben es für sie entschieden.
- Dass wir sie betreuen, wie ihre Hundeeltern es tun würden. Ihre Talente fördern und sie BEDINGUNGSLOS lieben!
- Das wir ihnen Empathie entgegenbringen, denn ihre Schicksale sind oft mehr als furchtbar.
All diese Dinge sollte man sich gut überlegen, wenn man einen Hund aus dem Tierschutz zu sich nimmt. Ist man bereit dafür, steht dem nichts im Weg.
Die Hunde aber dann nach einiger Zeit wieder abzuschieben, wenn sie unsere Erwartungen nicht erfüllen, ist unmenschlich. Diese Menschen sollten sich generell überlegen, ob sie überhaupt die Verantwortung für einen Hund übernehmen können und sollten sich eigentlich kein Lebewesen mehr anschaffen.
Vor ein paar Monaten rief mich ein Kunde an, dass er am Wochenende nach 8 Monaten seinen Hund ins Tierheim gebracht hätte. Ich war entsetzt. Es war nichts vorgefallen. Der Mann sagte nur: „Dieser Hund braucht uns nicht, wir sind ersetzbar und ihm egal. Aber er hätte bei mir viel in der Hundeschule gelernt und der nächste Hund würde sicherlich davon profitieren.“ Was für ein Armutszeugnis! Nein, NICHTS hat er bei mir gelernt, denn dann hätte er es nicht übers Herz bebracht, seinen Hund ins Tieheim abzuschieben. Diese Wegwerfmentalität ist unerträglich! Den einen Hund gibt man ins Tierheim, wo er kaum eine Chance auf eine neue Vermittlung hat und denkt zeitgleich schon über den nächsten Hund nach. Wirklich grausam!
Wir gehen wir mit Tieren um? Wir lieben Hunde? Aber dann diesen nicht, weil der nicht meine Erwartungen erfüllt? Traurig, traurig!
Also: Wer nicht bereit ist,
- sich auf eine problematische Situation einzulassen (rassebedingt, territoriale Probleme, Angstthemen)
- Zugeständnisse zu machen,
- die eigenen Erwartungen hintenanzustellen
- Tierarztkosten für einen kranken Hund zu übernehmen
- Begleitung in einer Hundeschule anzunehmen
ja, das unterschreibe ich komplett.
Allerdings gibt es das auch beim Kauf eines Hundes vom Züchter oder aus Zufallswürfen.
Leider sind einige Menschen der Meinung, dass ein Hund -egal woher- innerhalb kurzer Zeit das erfüllt, was der Mensch sich beim Kauf des Hundes vorgestellt hat.
Menschen haben eine Idee im Kopf beim Kauf eines Hundes. Oft haben sie sich mit der Anschaffung eines Hundes vorher intensiv beschäftigt, ABER!!!!! es ist anders. Egal ob Tierschutzhund oder Hund vom Züchter, jeder Hund ist anders und bringt auch schon etwas mit, was wir nicht wissen.
Mein Plädoyer bei jedem Gespräch: gebt Eurem Hund Zeit.
Ein Tierschutzhund braucht uU 3 Jahre um bei seinem Menschen anzukommen.
Ja!!!!!!!!!!!!!!! Ein Hund ist nicht preiswert!!!!!!!!!!!!! Er wird nicht DANKBAR sein (aber zeigen, dass er vertraut)
Ja, Du hast recht. Auch ein Hund vom Züchter kann schon einiges erlebt haben oder genetisch vorbelastet sein. Da haben wir aber die Möglichkeit, die Mutterhündin und den Züchter kennenzulernen und dann zu entscheiden. Wir können auch noch mehr bei der Prägung und Sozialisierung bewirken und steuern einiges in der Welpengruppe. Die Welpen kommen mit 9 Wochen in der Regel auch nicht traumatisiert zu uns oder waren schon Selbstversorger, weil viel zu jung und die Mutter ist gefüttert worden. Die Voraussetzungen sind dann einfach andere. Heißt nicht, dass man alles geschenkt bekommt und alles supereinfach ist. Auch da kann mal etwas nicht so rosig laufen.